15 Jahre Tanzgruppe des Agnes-Bernauer-Festspielvereins

Samstag, 4. Februar 2017

15 Jahre Tanzgruppe des Agnes-Bernauer-Festspielvereins

Es ist trotz Heizung kalt im Wappensaal. Nach der zweiten Chapelloise ziehen trotzdem die ersten schon ihre Anoraks aus. Bei dem schnellen Kreistanz aus der Renaissance, damals dem einfachen Volk vorbehalten, wird einem schnell warm. Mit einem ungleich steiferen Adelstanz, der Pavane „Belle, qui tiens ma vie“ geht es weiter. Probenabend bei der Tanzgruppe des Agnes-Bernauer-Festspielvereins. 15 Jahre gibt es sie heuer. Neben Leiterin Gudrun Reinoß sind auch Claudia Griessl und Denise Winklmaier schon von Anfang an dabei. Und wenn man den zehn Tänzern, die trotz des widrigen Winterwetters an diesem Abend ins Herzogschloss gekommen sind, in der Pause zuhört, spürt man sofort, dass der Festspiel-Funke auf sie übergesprungen ist und freundschaftlicher Teamgeist herrscht. Mindestens wie bei einer bestens aufeinander eingespielten Fußball-elf.

Ein strenger Etikette folgender Renaissance-Tanz verzeiht keine Pannen. Ist mal der Wurm drin, dann gewaltig. In so einem Fall, erzählt Klaus Brehm, könne man nur noch so gut es geht, improvisieren. „Bestenfalls merkt das Publikum nicht, dass da einer schummelt.“ Anekdoten davon haben die Tänzer einige parat, denn meist kostet es gehörig Energie, Haltung zu bewahren trotz der kuriosen Versuche, die Reihe wieder herzustellen. Oder auch wenn einem das heiße Wachs beim Kerzentanz auf die Hand tropft, dass man kurz aufschreien könnte, wirft Denise Winklmaier ein. Der Ruf „Rettet die Reihe“ ist deshalb ein geflügeltes Wort für die Truppe. „Es schaut aus, als ob wir nur Missgeschicke in Erinnerung haben“, sagt Astrid Hiergeist. Das stimmt allerdings nicht. Es ist auch präsent, dass es in der Regel wie am Schnürchen klappt. Und es sind Kuriositäten präsent. „Einmal haben wir auf einem Festival auf einigen Europaletten getanzt“, erzählt Gudrun Reinoß. Neben den Festspielen tritt die Gruppe auf Anfrage auch bei ausgewählten Festivals, Mittelaltermärkten oder auch mal auf einer Hochzeit auf.

„Gudrun sieht jeden Fehler“

„Gudrun hat überall Augen. Die sieht jeden Fehler, hat das absolute Gespür für Symmetrie“, sagt Claudia Griessl, „sie hat den 360-Grad-Rundumblick – und alle Positionen im Kopf“. Kein Wunder, denn einige Tänze hat Gudrun Reinoß selber choreographiert. Ansonsten hält sie sich an Original-Musikstücke und Tanzanweisungen aus der Renaissance nach Thoinot Arbeau. Der war im 16. Jahrhundert ein wohlhabender Kanoniker, der vor allem Bekanntheit erlangte als Verfasser eines Buches über die gebräuchlichsten Tänze seiner Zeit, zum Beispiel Branle, Galliarde und Pavane oder Gesellschaftstänze wie Basse dance und Allemande. Gudrun Reinoß choreographiert sie bei aller historischen Genauigkeit mitunter harmonisch aus dem Blickwinkel des 21. Jahrhunderts. Da wird schon mal eine Reihe zu einem Karree, „weil das viel mehr dem Auge des Zuschauers gerecht wird“, erklärt sie. Tanzen war schon immer ihre Leidenschaft. Zehn Jahre tanzte sie bei der Mystery Dance Company, ehe sie die Leidenschaft für mittelalterliche Musik und Tanz entdeckte und perfektionierte. Renaissance-Tänze seien zwar von der Kondition her nicht so anstrengend, sagt Astrid Hiergeist. „Aber es ist Konzentration nötig und vor allem Körperspannung.“

„Am liebsten Freestyle“

„Ja, die Gudrun ist schon streng“, bekräftigt Martina Chavez-Weiß augenzwinkernd. Sie selber mag am liebsten „Freestyle“, gesteht sie, und meint damit den Tanz der Bademägde im Festspiel. Da geht es unkonventioneller zu. „Da darf man den Männern auch mal einen Klaps geben“, sagt sie und lacht. Männer sind immer ein Thema – weil sie in der bis zu 22 Leute umfassenden Gruppe in der Minderzahl sind. Deshalb übernehmen Frauen beim Tanzen oft die Männerrolle, „das sind dann unsere Edelmänner“, flachsen die Tänzerinnen. „Wir hätten gerne männliche Verstärkung“, bestätigt Gudrun Reinoß.

Drei von zehn Tänzern sind an diesem Tag Männer. Und alle gestehen unisono, so nebenbei in die Tanzgruppe gekommen zu sein. Ben Engl wollte eigentlich nur als Bühnenbau-Helfer beim Verein anheuern. Das hat geklappt und ist „schnell mehr als nur Helfen geworden“. Und jetzt tanzt er auch und baut im Festspiel-Verein gerade eine Schwertkampftruppe auf. Wolfgang Warmdt hatte erstmals 2011 „Aussicht auf eine wirklich schöne Rolle“ beim Festspiel, erzählt er, Pferdefuß dabei allerdings „tanzen“. Und Klaus Brehm erzählt von seiner „kometenhaften Karriere vom Raubritter zum Herzog Wilhelm von Bayern-München“, der natürlich die tänzerische Etikette verinnerlicht haben muss. Astrid Hiergeist ist ihrer Tochter wegen zum Festspiel gekommen, zuletzt wechselte sie im Festspiel 2015 gleich mehrfach die Identität. „Mal Hofdame, mal Bettlerin“. Obendrein ist sie die Herrin des Fundus und stattet auch die Tanzgruppe mit passenden Kostümen aus. Manche haben zwischenzeitlich sogar eigene Kostüme angeschafft, die meisten auf jeden Fall stilechtes eigenes Mittelalter-Schuhwerk. „Erst das Kostüm und der Hut perfektionieren die Tanzhaltung“, ist Astrid Hiergeists Credo. Die schräge Festspielbühne ist da eine zusätzliche Herausforderung an die Balance.

Zwischen den Festspielen

Die meisten haben tänzerische Praxis aus mittlerweile mehreren Festspielen „und aus den Jahren dazwischen“, sagt Wolfgang Warmdt. Das sei gerade das Schöne, dass man auf diese Weise in Kontakt bleibe. Zuletzt ist Ingrid Ramelow zur Gruppe gestoßen, auch mit reichlich Festspielerfahrung, aber noch nie beim Tanz. „Learning bei doing“ ist das Prinzip. Wolfgang Warmdt bestätigt, dass das funktioniert. „Ich habe auch erst mal einfach alles nachgemacht, aber habe mir dabei schon gedacht, das lernst Du nie“, gibt er zu. „Stimmt aber nicht.“ Zur Not sorge Gudrun Reinoß mit einer Einzelstunde für eine Basis, auf der man bei den 14-tägigen Treffen im Wappensaal aufbauen kann.

Die Tänzer haben ihrer Tanzmeisterin eine Trillerpfeife geschenkt. Von der wird allerdings seltenst Gebrauch gemacht. Gudrun Reinoß ist die Ruhe selbst und korrigiert ganz zielgerichtet. „Falscher Fuß“, wenn mal wieder jemand vergessen hat, dass man die meisten Mittelalter-Tänze mit links beginnt. „Die falsche Hand ist oben“, merkt sie sofort, ob der Herr die Hand elegant auf die Hand der Dame legt oder ob es in dem speziellen Fall gerade umgekehrt richtig ist. Nebenbei lernt man, dass die Dame immer rechts steht, „denn links trägt der Herr das Schwert“, sagt Petra Neuberger. Und Gudrun Reinoß erinnert auch, „vergesst das Schauspielern nicht“, denn die wahre Herausforderung ist, wenn beim Tanzen im Festspiel auch noch Konversation gefordert ist. Und das soll auch noch ganz unverkrampft ausschauen. Und tut es auch, dank Teamgeist, Übung und notfalls Trillerpfeife.

Von M. Schneider-Stranninger

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