Mehrfach überraschendes Projekt 2021 zur Saison-Halbzeit
Es hat sich eingespielt, dass der Agnes-Bernauer-Festspielverein nicht nur alle vier Jahre mit seinem ureigenen Festspiel um das Schicksal der Augsburger Baderstochter aufwartet. Zwischen den Festspieljahren steht jeweils ein Theaterprojekt auf dem Spielplan, das die Ensemblemitglieder wie das Publikum die vier Jahre überbrücken hilft. Zuletzt 2017 mit großem Erfolg „Der Bayerische Jedermann“, 2013 Orffs „Bernauerin“, jeweils unter Regie von Andreas Wiedermann. Jetzt lässt der Verein die Katze aus dem Sack – mit gleich mehrfachem Überraschungseffekt: Im Juli 2021 steht an der Reitertreppe „Die Fahnenweihe“ von Josef Ruederer, eine ebenso unterhaltsame wie satirisch bissige bayerische Gesellschaftskomödie, auf dem Spielplan. Untertitel mit eigens eingearbeitetem Lokalkolorit: „Eine Gäubodenkomödie“. Ein ganz neues Genre für den Festspielverein.
Langgehegter Wunsch von Alfred Jurgasch
Das Stück ist ein langgehegtes Wunschprojekt des 2018 verstorbenen stellvertretenden Vorsitzenden Alfred Jurgasch, sagt Vorsitzender Karl Weber. Für die Regie konnte Thomas Stammberger gewonnen werden, den die Beschäftigung mit Ruederer und eben diesem Stück, „seinem dramatischen Hauptwerk“, nie wirklich losgelassen hat. 2013 war er gelinde gesagt nicht ganz unbeteiligt, dass Intendant Michael Lerchenberg das wenig gespielte Stück bei den Luisenburg-Festspielen ins Programm genommen hat. „Mit Erfolg. Aber der Schatz ist noch nicht voll gehoben“, sagt Stammberger schmunzelnd. „Da ist noch Luft nach oben.“ Die verspricht er sich unter anderem durch den glücklichen Umstand, dass das Stück rechtefrei ist und er es auf Straubinger Lokalkolorit zuschneidern kann. Deshalb der vorgesehene Untertitel „Eine Gäubodenkomödie“.
Am Donnerstagabend sind die Mitglieder bei einem vereinsinternen Stammtisch über das Vorhaben informiert worden. Laut Spielersprecherin Claudia Griessl ist das Vorhaben von den 40 bis 50 Anwesenden mit großer Überraschung aufgenommen („Die Geheimhaltung hat funktioniert“) und „superpositiv“ bewertet worden. Einige Mitspieler kennen Thomas Stammberger noch von den Festspielen in den neunziger Jahren. „Wir sind offen für Neues“, so der dominierende Grundtenor.
Stammberger? Den Namen des gebürtigen Kötzingers, Jahrgang 1968, kennt man als Regisseur von beliebten Fernsehserien („Dahoam is dahoam“, „Marienhof“), Theaterstücken und als Macher von Festspielen in Bayern, denen er zum Teil nach Durststrecken wieder zu außerordentlichem Erfolg verholfen hat. Seit 1998 war er abwechselnd für ARD, ZDF, RTL, SAT1 und Produktionsfirmen wie Constantin oder Bavaria Film tägig. Von 2004 bis 2006 war er Mitarbeiter von Dieter Wedel und drehte unter anderem mit Ulrich Tukur und Veronika Ferres. 2012 wechselte Stammberger zum Bayerischen Fernsehen, als verantwortlicher Regisseur des Bereichs Volkstheater und Bayerische Serie. Seit 2017 ist er vom BR für eigene Regietätigkeiten freigestellt.
Bekannt durch Regie für Fernsehserien
Für den Agnes Bernauer Festspielverein hat Stammberger mit Johannes Reitmeier 1995 eine neue Festspielfassung geschrieben, die bis 2007 im Schlosshof aufgeführt wurde. Der Kontakt ist nie ganz abgerissen. Stammberger sagt, er hat die Entwicklung des Vereins weiterhin aufmerksam verfolgt.
Vor ein paar Monaten hat Schatzmeisterin Gisela Lummer ihn kurzerhand angerufen. Der Anruf habe ihn in einer Münchner Tiefgarage erreicht, erzählte der Regisseur dieser Tage bei einem Besuch mit dem Festspiel-Vorstand bei Oberbürgermeister Markus Pannermayr. Überrascht sei er in dem Moment schon gewesen, gibt er zu, aber die Idee habe ihn auf Anhieb gereizt. Auch wenn er sich gerade vorgenommen hatte, zur Schonung seines Nervenkostüms von Amateurtheater-Projekten eine Weile die Finger zu lassen, wie er lachend zugibt. Nicht weil er von Amateuren nichts halten würde. im Gegenteil. Es ist in seinen Augen eine große Faszination, mit ganz unterschiedlichen Menschen auf der Bühne zu arbeiten, die dafür mit großer Offenheit und Unbedarftheit im positiven Sinn brennen. Das ändere manchmal auch den eigenen Blick als Regisseur. „Und es entsteht Gemeinschaft, ein großes Ganzes.“ Es seien mehr die organisatorischen Umstände, die einen im Gegensatz zu bis ins letzte Detail durchgetakteten Profi-Projekten oft zermürbend Energie kosteten.
Weiterentwicklung des Potentials
In der Folge hat sich Stammberger jedenfalls mehrfach mit dem Vereinsvorstand getroffen. Und man ist sich für 2021 einig geworden. „Es hat bei mir trotz einiger großer Projekte zeitlich gerade gepasst“, sagt er, der auf den Straubinger Festspielverein große Stücke hält. Vor allem imponiert ihm, dass der Verein den Ehrgeiz hat, sich immer wieder auf Neues einzulassen und damit für sein Publikum spannend zu bleiben. Das gelte für das Festspiel ebenso wie für Theater-Projekte dazwischen. Das erreichte Niveau sei semi-professionell.
Oberbürgermeister Markus Pannermayr bekundete dem Verein seinen Respekt, dass er „nach dem Kraftakt des Festspiels 2019 schon die Energie aufbringe, nach vorn zu schauen“. Dass eine Idee aufgegriffen werde, die der verstorbene Alfred Jurgasch lange mit sich herumgetragen habe, berühre menschlich, sagte OB Markus Pannermayr, der den Verein dabei unterstützen will, an Zuschüsse zu kommen. Jurgasch sei ein besonderer Mensch gewesen, der sich immens für das Festspiel, für seine Heimat und besonders auch für die Theatergruppe der JVA engagiert habe. Thomas Stammberger hat Alfred Jurgasch 1994 kennengelernt – als Schauspieler. „Er hatte das Theater-Gen“, sagt er über ihn.
Der Festspiel-Verein verspricht sich jetzt von der Zusammenarbeit mit dem theater- wie filmerfahrenen Thomas Stammberger noch einmal eine Weiterentwicklung des schauspielerischen Potentials auch im Hinblick auf die nächsten Festspiele, sagen unisono Karl Weber und sein Stellvertreter Florian Schmiegelt.
Stammberger, dem diese Ambitionen des Vereins gefallen, will sich gerade dafür Zeit nehmen und auf eine vergleichsweise lange Probenzeit mit mindestens 60 Akteuren von Mai bis Juli 2021 einstellen. „Genug Talente sind da.“