
Kristina Kohlhäufel gab die Agnes (vorn) mit Verve. Foto: Scharrer
Agnes-Bernauer-Festspiele im Herzogschloss Straubing in neuem Gewand und mit neuen Rollen
Neu. Anders. Gelungen. Es wird wieder geliebt und verehrt sowie gefoltert und hingerichtet. Einfach herrlich! Und das alles ist neu angerichtet. Die Liebesgeschichte der Augsburger Baderstochter Agnes Bernauer mit Herzogsohn Albrecht fängt diesmal nicht küssend, sondern blutig an. Mit Elan und bei den Sommertemperaturen mit viel Kampfschweiß stürzen sich die Ritter, Landsknechte und Bürger in die Schlacht bei Alling.
Natürlich stirbt die Agnes den Wassertod, aber das ist dieses Mal nicht das Ende der Geschichte. Zusammen mit Teja Fiedler (Stern-Korrespondent, Germanist, Historiker und Schriftsteller) hat Regisseur Andreas Wiedermann die Geschichte der Agnes Bernauer neu geschrieben.
Der Reiz der diesjährigen Agnes, der bisherigen Aufführungen nichts von deren Glanz wegnimmt, ist das Neuentdecken der Baderin. Sex und Crime inklusive, an das sich Fans der klassischen Agnes erst gewöhnen müssen.
Ein Rock‘n‘Roller nach heutigen Maßstäben ist der Albrecht, er will der Kumpel von nebenan sein, ist sich aber standesgemäß bewusst, das er über dem Volk steht. Und er will nicht nur verliebt sein, sondern gegen seinen Vater rebellieren. Woanders kann er es nicht. Die Stärken und Schwächen Albrechts, des kühnen Ritters, spielt Dr. Ben Gröschl voll aus.
Sie hat alles am besten im Blick, die Beatrix. Zerrissen zwischen ihrem Stand, ihrer Liebe zu Vater und Bruder und ihrer Eitelkeit intrigiert Ramona Treintl mit kleinen Gesten bis furienhaften Streit wunderbar. Zerrissen ist Herzog Ernst, zwischen der Rolle als Vater, der seinen Kindern Glück gönnen will, und Selbstzweifeln, weil man auch nur ein Mensch mit Schwächen ist. Das ist der Herzog Ernst, der durch die wortkarge und bildstarke Spielweise von Franz Aichinger eine zweite Agnes wird, also ein Mensch, mit dem man mitleidet.
Blond, schön, intelligent und mit Gerechtigkeitssinn, gepaart mit dem Streben nach ein bisschen persönlichem Glück und ebensolchem für ihre Mitmenschen – die Agnesdarstellung von Kristina Kohlhäufel, die der Bernauerin eine mädchenhafte unsichere Gestalt gibt, die zur starken (Herzogs)-Frau wird, fällt da als Idealbild bewusst aus dem Rahmen.
Aber neben den vier Hauptdarstellern glänzen viele Sprechrollen und Statisten. Mehr Theater und viel Agitation, so dass der Zuschauer überall auf der Bühne etwas (im Hintergrund) entdecken kann, hat Wiedermann in das Stück gebracht. Die 32 Meter lange Bühne mit Obergeschoss wird voll ausgenützt. Überall tuscheln die Burgfräulein, tratschen die Marktfrauen, saufen Bauern und Handwerker oder malträtieren die Folterknechte. Typen, die Typen spielen können, machen den Stoff lebendig. Mit zahlreichen neuen Nebenrollen gibt Wiedermann den Hauptdarstellern mehr Tiefe.
Mit rund 120 Sprechrollen bei insgesamt 332 dargestellten Charakteren, verkörpert von über 130 Mitspielern wird die Agnes politisch. Sie kämpft nicht nur um ihre Liebe, sondern um Gleichberechtigung. Das falsche menschenfeindliche System wird bekämpft. Und das schafft Wiedermann, weil er die Darsteller menschlicher und facettenreich darstellt. Das Schöne daran, dass man die Geschichte nicht nur als Straubinger kennt, ist, dass man sich auf Erzählweise und Bildgewaltigkeit der Neuinszenierung konzentrieren oder einfach genießen kann. Ulli Scharrer
Weitere Aufführungen bis 21. Juli Mittwoch, Freitag, Samstag und Sonntag.
Karten gibt es beim Leserservice des Straubinger Tagblatts